Erwachen hier und jetzt
»Heute saß ich vor der Felsklippe
Bis schließlich aller Nebel sich verzog
Ein gerader Weg, glitzernd der kalte Bach
Achttausend Fuß, die Gipfel jadefarben
Im milden Morgenlicht stehen weiße Wolken
Bei Nacht des hellen Mondes schwebender Glanz
Nun bin ich frei von jedem Makel
Welch Kummer könnte meinen Sinn noch trüben?«
Han Shan
»Zazen praktizieren in jedem Augenblick
Gedanken zur Ruhe kommen lassen
Klares Erkennen des Buddha Weges
Die Wirklichkeit zeigt sich wie sie ist
In der Unwissenheit verdecken Wolken den Himmel
Im klaren Sehen stören Wolken nicht
In der Leerheit gibt es kein richtig und falsch
Warum also den Gedanken folgen?«
Hei San (Berg des Friedens)
Das Erwachen ist nicht das Ende aller Dinge. Viel wichtiger als das Erwachen ist Dein Handeln in der Welt zum Wohle aller Wesen, Dich selbst eingeschlossen. Ohne die nötige Kraft und Energie kannst Du niemandem helfen.
Ohne selbst schwimmen zu können, kannst Du einem Ertrinkenden nicht retten. Aber statt dem Erwachen hinterher zu rennen, sollten wir unser Verhalten im Alltag bewusst in eine befreiende Richtung führen.
Das bedeutet das Erwachen im Alltag zu realisieren. Wenn wir durch Gedanken, Taten und unsere Sprache das Leiden der Anderen lindern, lindert sich auch unser eigenes Leiden.
Ich bitte Dich, der Du den Weg bereit bist zu gehen, lass ab vom begrifflichen Denken und übe mehr als das Du Dich den Worten hingibst.
Handel im Alltag zum Wohle der Anderen und Du wirst merken, dass sich dies auch auf Dein eigenes Leben auswirkt. Aber vermeide es zu missionieren und achte auch auf Dein eigenes Wohlbefinden.
Lass Dich von keinen falschen Meistern blenden und finde Deinen eigenen Weg. Erleuchtung ist kein Glaube, sondern muss zu Deiner persönlichen Erfahrung werden.
Hilf den Wesen dabei ganz zu werden. Hilf dort, wo Du helfen kannst. Du brauchst nicht gleich ein Waisenhaus in Tansania zu bauen. Schau Dich um, direkt vor Deiner Tür gibt es genügend Bedarf an Hilfe.
Ich wünsche Dir, dass Du den Wert von Buddha, Dharma und Sangha erkennst. Buddha bezieht sich nicht auf die Person Shakyamuni, sondern auf den einen großen Buddha-Geist, die unfassbare Leerheit, die Buddha-Natur, Gott oder welchem Namen man ihm geben möchte.
Dharma bezieht sich auf die Lehre des Buddha Shakyamuni und auf die von ihm erkannten Gesetzmäßigkeiten des Universums. Und Sangha auf die Gemeinschaft der Praktizierenden, die gemeinsam den Weg des Erwachens, der Liebe und des Mitgefühls gehen.
Ich wünsche Dir, dass Du durch die Erfahrung der Leerheit verstehen lernst und dass Du erkennst, dass Du so wie Du bist, völlig in Ordnung bist.
Ich glaube einer der wichtigen Punkte im Zen ist Eigenliebe oder Akzeptanz uns selbst gegenüber. Wir müssen die völlige Verantwortung für unser Leben übernehmen.
Auch wenn wir nicht die Gedanken, die Gefühle oder gar dieser Körper sind, haben wir die Verantwortung für unsere Gedanken, Gefühle und diesen Körper.
Alles was Du bist, bist Du nicht aus Dir selbst heraus. Alles was Du lernen durftest oder nicht lernen konntest, geschah ohne Dein direktes Zutun. Wenn Du das verstanden hast, kannst Du Dich erstmals so annehmen wie Du bist und dann in der Freiheit des Erkennens Dich selbst neu erfinden.
Du bist frei, der Mensch zu sein, der Du sein möchtest. Nichts fesselt Dich, Dein Geist ist ohne Hindernis. Die Lehre des Zen befreit Dich zunächst von Deiner Vorstellung eines aus sich selbst heraus existierenden Egos. Du lernst Mitgefühl und Weisheit sowie die ethischen Grundlagen des Menschseins kennen.
Nachdem die Illusion Deiner Persönlichkeit und Deines Selbstverständnisses aufgelöst und die Täuschung erkannt wurde, baut Zen Dich von Grund auf neu auf.
Sei der Mensch, der Du sein möchtest. Akzeptiere Dich so wie Du bist. Sei Dir Deiner Stärken bewusst, nimm aber auch Deine Schwächen an und verwandel Sie im Licht der Weisheit.
Gib Deinem Leben Deinen ganz individuellen und persönlichen Ausdruck und nimm das Geschenk das Dir übergeben wurde an. Alles wird leichter, wenn wir gelernt haben uns selbst zu lieben und auch unsere Schattenseiten völlig zu integrieren.
Eigenliebe oder Selbstliebe erlaubt es Dir, auch allen anderen Wesen Mitgefühl und Liebe zu schenken, sodass auch Sie eines Tages frei werden von Ihren konditionierten Verhaltensweisen, durch die sie leiden.
Vielleicht gibt es Anteile in Dir, die besser durch eine Therapie angenommen werden können. Zen ist kein Allheilsweg. Aber durch das stille Sitzen in Versenkung geschieht das Zulassen und Loslassen all Deiner verdrängten Anteile ganz von allein. Es gibt nichts zu tun als in Dich hinein zu lauschen und Deiner Seele zu zuhören.
Aus dem Buch "ZEN - Erleuchtung und andere Missverständnisse"
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