Hui-neng gab dem bis dahin noch stark von traditionellen ind. Buddhismus geprägten Zen seine typische chin. Prägung. Er wird deshalb als der eigentliche Vater des chin. Zen angesehen.
Die Übertragung des Patriarchats und die Spaltung des Zen in eine Nördliche und in eine Südliche Schule ist sehr bekannt und geschah folgendermaßen:
Hui-neng arbeitete als Gehilfe in der Küche des Klosters von Hung-jen, wo er Feuerholz spaltete und die Reismühle trat.
Als der betagte 5. Patriarch die Zeit kommen sah, das Patriarchat einem Nachfolger zu übertragen, forderte er die Mönche seines Kloster auf, ihrer Zen-Erfahrung in einem Gedicht Ausdruck zu geben.
Nur Shen-hsiu, der intellektuell brillanteste seiner Schüler und Mönchsälteste, schrieb ein solches Gedicht. Aber er brachte es nicht fertig seinen Vers vorzuzeigen. Schließlich beschloss Shen-hsiu den Vers heimlich nachts an die Wand des Ganges zu schreiben, denn wenn Hung-jen ihn dort sieht und liest und ihn für gut befindet, würde er hervortreten und sagen, dass er von ihm sei.
Der Vers von Shen-hsiu lautet:
Der Leib, das ist der Bodhi-Baum,
der Geist, er gleicht dem klaren Ständer-Spiegel.
Wisch ihn denn immer wieder rein,
lass keinen Staub sich darauf sammeln.
Ohne bemerkt zu werden, ging er zurück in sein Zimmer.
Nachdem der fünfte Patriarch den Vers gelesen hatte, ließ er Shen-hsiu zu sich rufen und fragte ihn, ob er den Vers geschrieben hätte. Daraufhin sagte Hung-jen, dass der Vers für gewöhnliche (unreife, noch nicht erleuchtete) Menschen eine gute Übung sei. Allerdings zeige der Vers auch, dass er sein ursprüngliches Wesen noch nicht erkannt hätte.
Der fünfte Patriarch schickte Shen-hsiu zurück in sein Zimmer, um sich zu versenken und noch mal einen Vers zu machen.
Als Hui-neng zufällig dieser Vers zu Ohren kam, wusste er bereits, dass der Verfasser dieses Verses sein ursrpüngliches Wesen noch nicht erkannt hatte. Er ließ er sich von einem Laienbruder zur Wand des Südganges führen, indem er vorgab, er wolle auch diesem Vers seine Verehrung erweisen.
Unter den Leuten, die vor der Wand standen und den Vers bewunderten, war ein Vizepräfekt. Er las Hui-neng, als dieser ihn darum bat, den Vers vor. Daraufhin sagte Hui-neng, er hätte auch einen Vers und bat ihn er solle diesen auch an die Wand schreiben. Nach längerem Zögern schrieb der Vizepräfekt Hui-neng`s Vers an die Wand.
Das Gedicht lautet:
Im Grunde gibt es keinen Bodhi-Baum,
noch gibt es Spiegel und Gestell.
Da ist ursprünglich kein (einziges) Ding ?
wo heftete sich Staub denn hin?
Als Hui-neng diesen Vers vorgetragen hatte, waren alle Mönche verblüfft.
Hung-jen sah aber die Missgunst in allen und sagte deshalb, dass dieser Vers noch nicht die Erkenntnis des Wahren Wesens ausdrücke.
Jedoch um Mitternacht ließ der fünfte Patriarch Hui-neng heimlich zu sich kommen und übertrug Huin-neng den Dharma der plötzlichen Erleuchtung, die Robe und die Schale und ernannte ihn zum sechsten Patriarchen. Danach schickte er Hui-neng zurück in den Süden, damit ihm niemand Schaden zufügen konnte.
Mit Hui-neng, dem als ungebildeten Laien und entgegen allen Konventionen des religiösen Establishments das Patriarchat übertragen worden war, erlebte das Zen der Südlichen Schule, aus dem alle großen Schulen des Zen in China hervorging, seine Geburtsstunde.
Aufentshaltsort:
China
Richtung:
Südliche Schule
Dharmanachfolger von:
Hung-jen
Dharmanachfolger:
Nan-yüeh Huai-jang u. Ch`ing-yüan Hsing-ssu
Schriften:
Sutra vom Hohen Sitz des Dharma-Schatzes (Liu-tsu-ta-shih fa-pao-t`an-ching), dt. Hui-neng: Das Sutra des Sechsten Patriarchen, Bern u. a. 1989